Die ersten Anfänge

Entwicklung einer Schrift

1.

Die ersten Dokumente in deutscher Sprache finden sich in alten Pergamenten, die in den Klöstern des 8. Jahrhunderts n.Chr. geschrieben wurden. Es gab zu dieser Zeit weder Wörterbücher noch Orthographieregeln oder sonstige Nachschlagewerke. Es existierten noch nicht einmal eigene Schriftzeichen, weshalb die Schreiber auf das lateinische Alphabet zurückgriffen. Dessen Zeichen paßten aber nicht immer zu den deutschen Lauten, weshalb die Schreiber diese Lücken füllen mußten und eigene Buchstaben entwickelten und „erfanden“.

Dieser Kunstgriff wurde seit jeher (bis in die heutige Zeit) angewandt, um fremde Laute durch Schriftzeichen auszudrücken. Insbesondere bei der Kolonisierung Afrikas und Asiens sowie bei den Indianersprachen Amerikas, usw. wurden - sei es durch Missionare, sei es per Dekret des jeweiligen Herrschers - Hunderte von Alphabete neu entwickelt, um die fremden Laute zu Papier bringen zu können.

2.

Übrigens war man auch in der Entwicklung des griechischen und des (aus ihm hervorgegangen) lateinischen Alphabets, also „unseres“ heutigen modernen Alphabets, in dieser Weise vorgegangen.

So waren z. B. bei der Entwicklung des griechischen aus dem phönizischen Alphabet einzelne Buchstaben entfernt worden, deren Laute in der griechischen Sprache nicht vorkamen. Oder sie waren für die Schreibung von Lauten verwandt worden, die in der Urspruchssprache nicht existierten.

Umgekehrt wurden eine Reihe von Buchstaben neu eingefügt, deren Lautwerte in der phönizischen Sprache nicht vorgekommen waren, jedoch im Griechischen benötigt wurden (Näheres hier). Ähnlich war man bei der Entwicklung des lateinischen Alphabets verfahren, bspw. mit den Buchstaben V, F und Q.

3.

Vor diesem Dilemma standen auch die Mönche des 8./9. Jahrhunderts, die Laute zu Papier bringen wollten, für die das lateinische Alphabet keine Buchstaben vorsah, beispielsweise die Laute „sch“, „w“, „ch“, u.v.m.

Hierbei wendeten sie eine Reihe von "Tricks" an:

  • Um den Lautwert „w“ schreiben zu können, erfanden die Mönche einen entsprechenden Buchstaben, in dem sie zwei „u“ miteinander verbanden und dadurch das heutige „w“ bildete.
    Noch heute heißt der Buchstabe „w“ im Französischen „double v" und im Englischen „double u“, also doppeltes u bzw. v.

  • Ferner kombinierten sie Buchstaben wie s, c und h zu sch und ch, wobei sch und ch jeweils eigene Lautwerte ausdrücken sollten, die in der lateinischen Sprache nicht vorkamen, wohl aber in der deutschen.
    Ein Vorgang, der uns heute als selbstverständlich erscheint, damals jedoch eine hohe intellektuelle Leistung darstellte.

  • Oder sie verdoppelten Konsonanten, um kurze Vokale darstellen zu können, beispielsweise mm, nn, ss.

  • Und sie verdoppelten Vokale, um lange Vokale ausdrücken zu können.

  • Ein weiterer „Trick“ bestand darin, daß man ein h hinter einen Vokal einfügte, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß der Vokal lang gesprochen wird.

Vereinfacht kann man sagen: Früher wie heute – seit jeher – wurden Alphabete für Sprachen, in denen es noch keine Schrift gab/gibt, sozusagen „erfunden“, bzw. aus vorhandenen Alphabeten entwickelt.

4.

Da die Lautwerte naturgemäß niemals völlig identisch sind, sehr häufig sogar grundverschieden von der Sprache sind, deren Alphabet übernommen wurde, bestand die Notwendigkeit, auch „Buchstaben“ für einzelne Laute „zu erfinden". Dies geschah und geschieht z.B. durch Kombination einzelner Buchstaben (s,c und h zu sch) oder durch Zuweisung eines Lautwertes zu einem bestimmten Buchstaben, der nicht benötigt wird.

So wurde auch die kyrillische (z.B. russische) Schrift aus anderen Alphabeten entwickelt.Die meisten Buchstaben wurden aus dem griechischen Alphabet übernommen oder von ihm abgeleitet.

Für Laute, die im Griechischen nicht vorkamen (z.B. die verschiedenen t-sch-Kombinationen), wurden Zeichen aus einer anderen Schrift (der glagolitischen Schrift) zugrunde gelegt, die um 862 vom Slawenlehrer Konstantin entwickelt worden war, der später den Namen Kyrill annahm.

Die spachliche Zersplitterung

Ein weiteres Problem bestand darin, daß auch die deutsche Sprache alles andere als einheitlich war. Auch die Dialekte waren nicht völlig unterschiedlich. Sogar die gesprochene Sprache unterschied sich von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf in einer heute kaum noch vorstellbaren Weise.

Weil die Menschen in den allermeisten Fällen ihr ganzes Leben lang nicht aus ihrem Dorf herauskamen und allenfalls die nächste Stadt in der Entfernung eines Tagesmarsches, also rund 30 km kannten, entwickelte sich die Sprache mangels eines gegenseitigen (Sprach-)kontaktes immer weiter auseinander.

Dies war auch einer der Gründe, warum in gebildeten Kreisen bis zum Ende des Mittelalters überwiegend das vertraute Kirchenlatein benutzt wurde, um sich überhaupt überregional (das konnte schon die übernächste Stadt in 100 km Entfernung sein) verständlich machen zu können.