Vom Indoeurop. zum Griechischen

Entwicklung des Indogermanischen zum Griechischen

Die Herkunft, die Geschichte und die Entwicklung der griechischen Sprache sind heute sehr gut erforscht:

1.

Das Griechische stammt aus der letzten Phase der indogermanischen Expansion in Europa, also der Zeit um 2.000 vor Chr. Mit dem letzten Schub gelangten die Stämme der Indogermanen, die einen protogriechischen Dialekt des Indogermanischen sprachen, in den Norden Griechenlands.

  • Die Indogermanen waren, wie hier dargestellt, etwa ab dem 5. Jahrtausend v.Chr., aus dem Gebiet des Urals bzw. des nahen Ostens kommend, nach Osten (bis nach Indien/China) und nach Westen (bis an die Atlantikküste) aufgebrochen und hatten sich über den größten Teil der damals bekannten Welt verbreitet.
  • Das Griechische war somit zunächst nichts anderes als eine der Formen, welche die indogermanische Sprache im Verlauf der Jahrhunderte und Jahrtausende seit dem Aufbruch der Indogermanen aus ihren entfernten Siedlungsgebieten angenommen hatte.
  • Oder besser gesagt: Ein Dialekt aus der indogermanischen Sprache (bzw. der Gruppe von indogermanischen Sprachen), die seit dem 5. Jahrtausend vor Christus von Nomadenstämmen aus den Ebenen zwischen dem Ural und Anatolien nach Europa (und in östlicher Richtung bis nach Südostasien) gebracht wurden.

Die ersten Gruppen (ionische Stämme) drangen um das Jahr 2.000 v.Chr. nach Griechenland ein, eine zweite Gruppe (Dorier genannt) folgte rund 800 Jahre später, also um das Jahr 1.200 v. Chr.

Hierbei gelangten die Dorer jedoch lediglich nach Westgriechenland. Im östlichen Teil hatten die 800 Jahre vorher eingewanderten Griechen bereits fest Fuß gefaßt. Der von ihnen mitgebrachte ostgriechische Dialekt hatte sich hier in dieser Zeit fest etabliert und ließ sich nicht mehr verdrängen.

Die beiden Gruppen sprachen zwei deutlich zu unterscheidende Dialekte, auf die die spätere Zersplitterung des Griechischen in eine Reihe von Dialekten maßgeblich zurückzuführen ist. Diese erste Aufteilung hatte sich vermutlich noch außerhalb Griechenlands vollzogen.

2.

Wie man an den recht unterschiedlichen Sprachen ersieht, die aus dem Indoeuropäischen hervorgegangen sind

(man vergleiche nur die italischen Sprachen mit der germanischen oder slawischen Gruppe oder gar mit dem iranischen oder indischen Zweig!

waren die indoeuropäischen Dialekte doch recht unterschiedlich.

Oder genauer gesagt: Sie hatten sich am Ende der langen Wanderung der Indogermanen – vom Ural bzw. dem nahen Osten bis nach Süd- und Westeuropa bzw. nach Südostasien – naturgemäß ganz unterschiedlich (auseinander-) entwickelt.

Es gab somit nicht ein einheitliches, homogenes „Indogermanisch“. Jedenfalls nicht mehr zu einem Zeitpunkt der Wanderung (nach über 2000 Jahren !), als die Indogermanen ihre Endziele erreicht hatten, wie z.B. Griechenland.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die ursprünglich homogene Sprache, mit der die Indogermanen ihre lange Wanderung begonnen hatten, in eine Vielzahl von Dialekten und nachfolgend von Sprachen aufgegliedert und sich immer weiter differenziert.

Dies ist natürlich die normalste Sache der Welt: So läßt sich z.B. das heutige Deutsch auch nicht mehr mit dem Althochdeutschen oder gar mit dem Germanischen vergleichen, obwohl der Zeitraum, der uns von diesen Sprachen trennt, vergleichbar lang ist.

3.

Das „Urgriechische“ bzw. „Proto-griechische“ war somit keine einheitliche Sprache bzw. Dialekt, sondern wies erhebliche Differenzierungen und Nuancierungen auf, wie es angesichts der damaligen Verkehrs- und Kommunikationsverhältnisse nicht anders zu erwarten ist.

Es gab immerhin noch kein Telefon und keine modernen Verkehrsmittel, so daß es naheliegt, daß einzelne Familien oder Stämme, die beispielsweise 100 oder 200 km voneinander entfernt siedelten, sich im Laufe der Generationen auch sprachlich auseinander entwickeln mußten und entwickelt haben!

Ebenso liegt es nahe, daß sich einzelne Familien/Dörfer/Stämme eine ursprünglichere (archaischere) Form der Ursprungssprache bewahrt haben

(beispielsweise aufgrund einer stärkeren Isolierung, weil sie sich z.B. in einem abgelegenen einsamen Tal niedergelassen hatten)

im Vergleich zu anderen Stämmen, die einen häufigeren und stärkeren Kontakt zu anderen Mitgliedern/Stämmen gehabt haben bzw. generell häufiger und intensivere Kontakte zu anderen Gruppen gepflegt haben.