Litauisch

Autor des nachstehenden Beitrages über die litauische Sprache ist Herr Nils Maschke (kontakt@nils-maschke.de )

A. Allgemeines

Die baltischen Sprachen bilden einen kleinen, jedoch eigenen Sprachzweig der indoeuropäischen Sprachfamilie.
Heute werden baltische Sprachen von ca. 7 Millionen Menschen in Nordosteuropa gesprochen. Von allen ehemals existierenden baltischen Sprachen haben sich nur das Lettische und das Litauische erhalten. Die dritte Hauptsprache - das Altpreußische - ist im 17. Jhdt. ausgestorben.

Beide Sprachen - wie auch die mit dem Baltischen eng verwandten slawischen Sprachen - gelten als sehr archaisch, wobei das Lettische durch den jahrhundertelangen Einfluß der deutschen Sprache in Kurland wesentlich moderne Strukturen entwickelt hat als das Litauische.

Beide Sprachen haben sich im Laufe der Zeit so stark voneinander entfernt, daß sie untereinander nicht mehr verstanden werden können (was zur Folge hat, daß sich Letten und Litauer untereinander häufig russisch unterhalten).

Das Baltische weist gemeinsame Züge mit den slawischen Sprachen auf, so daß beide Gruppen gelegentlich zur baltisch-slawischen Sprachgemeinschaft zusammengefaßt werden. Bis heute ist noch nicht endgültig geklärt, ob die Ähnlichkeit der beiden Sprachgruppen auf eine gemeinsame Herkunft oder nur auf langfristige wechselseitige Sprachkontakte zurückzuführen ist.

B. Die Litauische Sprache

Klassifikation

Aufgrund seiner archaischen Struktur gilt es als die lebende Sprache, die sich am wenigsten von der proto -indoeuropäischen Elternsprache entfernt hat. Sprachforscher, die versuchen diese Sprache zu rekonstruieren, greifen daher neben Latein, Altgriechisch und Sanskrit häufig auf die litauische Sprache zurück. Vor allem Aussprache und Akzent haben sich seither relativ wenig verändert. Ein französischer Philologe (Antoine Meillet) regte diejenigen an, sich mit einem Litauer zu unterhalten, die hören wollen, wie die Sprache unserer Vorfahren geklungen hat.

Wortschatz

Die baltischen Sprachen, insbesondere das Litauische, weisen im Vergleich zu den Sprachen der germanischen Gruppe eine sehr hohe Reinheit des Wortschatzes auf. Es existieren verhältnismäßig wenige „internationale“ Worte, die aus dem Griechischen oder Lateinischen Eingang in den Wortschatz gefunden haben. Existieren im Litauischen für einen Begriff sowohl ein Fremdwort als auch ein einheimisches Wort, gilt das Einheimische als das stilistisch bessere – ganz im Gegensatz zum Deutschen, wo häufig dem Fremdwort der Vorzug gegeben wird. Zudem wacht (ähnlich wie in Frankreich) eine Sprachakademie über die Reinheit und Korrektheit der Sprache im öffentlichen Gebrauch. Wird im öffentlichen Raum (Werbeslogan, Parlamentarier, Regierungsbeamte) gegen die Regeln der richtigen Aussprache oder der Grammatik verstoßen, können durch diese Behörde Strafen verhängt werden.

Einige der folgenden Wörter verdeutlichen die Nähe des Litauischen zu Sanskrit und der proto-indoeuropäischen Elternsprache.

 
Deutsch Sanskrit Litauisch Indoeuropäisch
Sohn sunús sunus *suənu
Hund svan šuo *kuon
Wer? Kás? Kas? *kwis
Schaf ? avis *avis
ein(s) oi(w)os vienas *oino
zwei duva du *dwou
drei trayas trys *trejes
vier catvaras keturi *kwetor
fünf panca penki *penqwe
sechs sat šeši *seks
sieben sapta septyni *septmò
acht asta aštuoni *oktou
neun nava devyni *(e)newnò
zehn dasa dešimt *dekmò
hundert satam šimtas *kmòto

litauisch: Dievas davė dantis, Dievas duos duonos.
sanskrit: Devas adat datas, Devas dasyati dhanas.
deutsch: Gott gab Zähne, Gott wird Brot geben.

Sprachklang

Auffällig am Litauischen ist der dynamische und flexible Akzent. Prinzipiell kann jede Silbe betont werden. Es existieren 3 Töne (Stoßton, Schleifton und Kurzton). Jedes mehrsilbige Wort gehört zu einer der 5 Akzentklassen. Diese Klassenzugehörigkeit bestimmt, wie sich der Wortakzent bei Flexion des Wortes ändert. Insofern hat der Akzent eine wichtige grammatikalische Bedeutung. So unterscheidet sich der Instrumental weiblicher Substantive vom Nominativ nur über die unterschiedliche Betonung und nicht über das Schriftbild. Da der Akzent in der litauischen Schriftsprache nicht vom Schriftbild zu erkennen ist, muß die Zugehörigkeit zu den Akzentklassen und deren jeweiliges Akzentmuster mitgelernt werden.

Aufgrund zahlreichen Dialekte des Litauischen haben auch Muttersprachler erheblich Probleme damit, Verben oder Substantive richtig zu betonen. In der Schule wird daher gelehrt, wie in Wort in Abhängigkeit der Flexion zu betonen ist.

Der dynamische Akzent bewirkt einen sehr melodischen Tonfall. Zudem können zahlreiche Konsonanten palatisiert oder unpalatisiert ausgesprochen werden. Durch die Palatisierung ähnelt das Litauische etwas dem Russischen, ist aufgrund der zahlreichen erhaltenen archaischen Diphtonge (ie, uo, ai, ei, au, ui) jedoch abwechslungsreicher und ausgesprochen klangvoll.

Fortsetzung des Lettischen

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